„Child in Time“ nach bald 55 Jahren immer noch ein Burner

Dies ist die Hommage an ein Stück Rockgeschichte, das seit 1969 heute noch Generationen in den Bann zieht. Für einen damals 13-Jährigen war der nur aus drei Akkorden bestehende Protestsong von Deep Purple fünf Jahre später auch ein Weckruf oder Ear Opener raus aus der Schlagerwelt.

Zunächst die schlechte Nachricht – oder auch die gute: Wie der Lead-Sänger Ian Gillan der britischen Band in einem Interview erklärte, spielt Deep Purple „Child in Time“ schon seit Jahren nicht mehr, weil er die hohe Tonart, die er da anstimmte, gar nicht mehr so herausbringen würde. Er hatte das Stück auch nie nur als Lied, sondern als „olympisches Event“ oder Challenge gesehen, die er als junger Sänger damals noch mühelos meisterte. Heute gilt hingegen: Es ist besser ein Lied nicht zu singen, als es falsch zu singen.

Für die damaligen Eltern und Großeltern war es sicherlich auch eine Herausforderung, nach dem sanft, melodisch beginnenden Intro plötzlich in voller Lautstärke Gillans hohe, grelle Stimme zu hören. Was er da in die Menge schreit, ist ein Protestruf gegen den Vietnamkrieg und die Eiszeit zwischen Ost und West:

See the blind man
Shooting at the world
Bullets flying
Oh, taking toll
If you’ve been bad
Oh, Lord, I bet you have
And you’ve not been hit
Oh, by flying lead

Das und die melodisch zarten Töne, die in dem ursprünglich zehn Minuten langen Stück aus nur drei einfachen Akkorden immer wieder anklingen, hat in den 1970er Jahren so wie mich viele in Deutschland aus der heilen Operetten- und Schlagerwelt herausgeholt und in einen zehn oder zwölf Minuten Headbanging-Rausch versetzt, damals noch „Underground“ genannt.

Ob es schon die viel besser ausgemischte Japan Edition von 1972 war? Aber dafür reichte das Taschengeld eh nicht, denn die kostete über 70 Mark! Auf dem in Osaka und Tokio aufgenommenen Doppel-Livealbum ist mit „Smoke on the Water“ auch ein noch größerer Erfolgshit von Deep Purple verewigt. Der gilt immer noch als eines der meist verkauften Werke der Rockgeschichte und kommt in den USA einer Umfrage zufolge gleich nach der Nationalhymne.

Sex and Drugs and Rock ’n‚ Roll

 

Damals hatte man auch noch die nötige Haarpracht, Underground zu tanzen, bei den einen länger, bei anderen weniger lang. Das war längst kein Schocker mehr, Musik wie diese blieb es aber noch länger. Unvergessen war 1972 ein Gastauftritt des von einem ZDF-Moderator „provozierende Rock-Hure“ genannten amerikanischen Dauerschockers Alice Cooper.

Das höchste der Gefühle war auf einer Klassenfahrt zwei Jahre zuvor, rauf wie runter gehört und mitgeplärrt, Juliane Werdings „Am Tag als Conny Kramer starb“, ohne wirklich zu ahnen, dass es sich um einen Drogentoten handelte, das Schicksal, das so wie Jimmie Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison von den Doors viele der später entdeckten Woodstock-Legenden ereilte. Davon hatte man als Kind oder Jugendlicher damals aber kaum etwas mitbekommen.

Über manch andere, die von Alkohol- und oder Drogenexzessen gezeichnet sind, kann man sich nur wundern oder freuen, dass sie noch leben. Und teilweise leben sie heute ein fast schon spießiges Leben. Was bleibt, ist die Erinnerung an die eigene Jugend und vor allem die Musik. Hört gerne mal rein!

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